Pflegeratgeber – was bei Pflegebedürftigkeit zu tun ist
Manchmal ist schon länger abzusehen, dass ein Mensch bald Pflege braucht. In anderen Fällen kommt die Situation plötzlich und überraschend. Für beide Varianten gilt: Oft wissen Betroffene und Angehörige gar nicht, was zu tun ist, welche Hilfen es gibt und wie man sie bekommt. Der Pflegeratgeber soll die wichtigsten Fragen beantworten.
Checkliste
Pflegebedürftig – was nun?
- Stellen Sie zuerst einen Antrag bei der Pflegeversicherung (diese ist der Krankenversicherung angegliedert). Antragsformulare können dort über den Downloadbereich ausgedruckt oder per Post zugesendet werden.
- Nach Antragsstellung wird der Medizinische Dienst der Krankenkasse (MDK) mit Ihnen einen Termin vereinbaren.
- Bei der Begutachtung durch den MDK sollte die Pflegeperson anwesend sein.
- Nehmen Sie eine Pflegeberatung bei folgenden Institutionen in Anspruch:
- Kreis Siegen-Wittgenstein
Senioren- und Pflegeberatung
www.siegen-wittgenstein.de - Stadt Hagen
Pflegeberatung
www.hagen.de - Pflegekasse des Versicherten
- Einrichtungen der Diakonischen Altenhilfe Siegerland
um die weiteren Versorgungsmöglichkeiten zu klären. Versorgungsformen sind: Ambulante Pflege, Kurzzeitpflege und stationäre Langzeitpflege
- Kreis Siegen-Wittgenstein
- Nach Festlegung der Versorgungsform müssen die entsprechenden Anträge für Leistungen der ambulanten, stationären oder Kurzzeitpflege gestellt werden.
Was ist Pflegebedürftigkeit?
Grundsätzlich kann Pflegebedürftigkeit im Sinne des Gesetzes in allen Lebensabschnitten auftreten. Pflegebedürftig sind nach § 14 SGBXI Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Das sind Personen, die körperliche, geistige oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer – voraussichtlich für mindestens sechs Monate – und mit mindestens der in § 15 SGB XI festgelegten Schwere bestehen.
Welche Pflegegrade gibt es und wie werden sie berechnet?
Beurteilung der Pflegebedürftigkeit
Das Beurteilungsverfahren ermittelt bei der pflegebedürftigen Person den Grad der gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Selbstständigkeit und die Fähigkeiten. Folgende sechs Bereiche werden erfasst:
- Mobilität
Hier erfolgen Fragen zur Bewegungsfähigkeit, zum Laufen oder zum Treppensteigen. Wie kann sich der Betroffene fortbewegen? Welche Hilfsmittel werden genutzt oder noch benötigt? - Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
Wie ist der Betroffene zu seiner Situation, zu Zeit und Ort orientiert? Kann er seine Bedürfnisse zum Ausdruck bringen? Kann er Wünsche äußern und seinen Alltag selbst strukturieren und gestalten? - Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
Welche Beeinträchtigungen erfährt der Betroffene durch psychische Erkrankungen wie z.B. eine Depression oder aber auch durch Verhaltensweisen bedingt durch eine Demenz? Beispiele können hier sein: Angststörungen, Weglaufen und nicht zurück finden oder Abwehrverhalten/Aggression. Welcher Unterstützungsbedarf resultiert daraus? - Selbstversorgung
Unter diesem Punkt wird der Unterstützungsbedarf bei der Körperpflege, beim Essen und Trinken und bei der Ausscheidung ermittelt. - Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
Welcher Unterstützungsbedarf besteht bei der Medikamentengabe, bei der Behandlung von Schmerzen, dem Anlegen von Verbänden oder im Umgang mit Sonden und Ableitungssystemen? - Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
Hier wird der Unterstützungsbedarf bei der Gestaltung des Alltags ermittelt. Beispiele: Telefonieren mit Angehörigen, Organisation der Freizeitgestaltung wie Lesen, Musik hören, Fernsehen, Außenkontakte aufrechterhalten u.a.
Ermittlung des Pflegegrades
Die Zuordnung zum jeweiligen Pflegegrad erfolgt nach einem Punktesystem innerhalb eines standardisierten Fragenkatalogs. Die Punkte werden den oben genannten Bereichen zugeordnet. Dabei wird eine Gewichtung vorgenommen. Der Bereich Selbstversorgung wird zum Beispiel mit 40 Prozent und der Bereich Mobilität mit 10 Prozent gewichtet. Aus der Summe der Punkte ergibt sich dann folgende Pflegegradverteilung:
Pflegegrad 1: 12,5 bis < 27,0 Punkte
Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten
Pflegegrad 2: 27,0 bis < 47,5 Punkte
Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten
Pflegegrad 3: 47,5 bis < 70,0 Punkte
Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten
Pflegegrad 4: 70,0 bis < 90,0 Punkte
Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten
Pflegegrad 5: 90,0 bis 100 Punkte
Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung
Wie viel Geld zahlt die Pflegekasse bei einer Unterbringung in einer stationären Pflegeeinrichtung?
Pflegegeld der Pflegekasse bei stationärer Pflege
Pflegegrad 1 125 Euro
Pflegegrad 2 770 Euro
Pflegegrad 3 1262 Euro
Pflegegrad 4 1775 Euro
Pflegegrad 5 2005 Euro
Kurzzeitpflege
Die stationäre Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI steht dem Pflegebedürftigen unter Berücksichtigung der Anspruchsvoraussetzungen bis zu acht Wochen im Kalenderjahr zu. Die Pflegekasse übernimmt die Kosten für Pflege, Behandlungspflege und Betreuung bis zu einem Gesamtbetrag von 1774 Euro. Sollten bereits ambulante Leistungen wie Pflegegeld bezogen werden, werden diese zur Hälfte in dem Zeitraum der Verhinderungspflege fortgezahlt.
Verhinderungspflege
Die Verhinderungspflege (z.B. Urlaub der Pflegeperson) ist ebenso an bestimmte Anspruchsvoraussetzungen gebunden und kann für maximal sechs Wochen im Kalenderjahr bewilligt werden. Die Pflegekasse übernimmt dazu bis zu 1612 Euro der Kosten. Sollten bereits ambulante Leistungen wie Pflegegeld bezogen werden, werden diese zur Hälfte in dem Zeitraum der Verhinderungspflege fortgezahlt.
Unter welchen Bedingungen zahlt der Sozialstaat für die Pflege?
Unter bestimmten Voraussetzungen kann es sinnvoll sein, einen Sozialhilfeantrag zu stellen. Jeder Mensch, der kein Einkommen hat oder ein Einkommen, das unter einer bestimmten Grenze liegt, hat grundsätzlich Anspruch auf Sozialhilfe. Zu diesen Voraussetzungen zählt ein zu geringes Einkommen, Rente, Arbeitslosigkeit oder der Krankheitsfall bzw. eine eingetretene Pflegebedürftigkeit.
Um bei Pflegebedürftigkeit Unterstützung zu bekommen, muss man beim Sozialamt die Hilfe in besonderen Lebenslagen beantragen. Grundsätzlich besteht Anspruch auf Unterstützung durch das Sozialamt, wenn der Bedarf das Einkommen übersteigt. Wie hoch der Anspruch ist bzw. ob Anspruch auf Sozialhilfe besteht, muss individuell mit dem zuständigen Sozialamt geklärt werden. Jeder Mensch hat Anspruch auf Sozialhilfe, wenn er in einer finanziellen Notsituation ist und sich nicht (mehr) selbst helfen kann bzw. auch keine Angehörigen da sind, die finanzielle Hilfen leisten könnten. Zur Antragstellung müssen verschiedene Unterlagen mitgebracht werden, z. B. Personalausweis, Kontoauszüge, Arbeitsnachweise oder ggf. ärztliche Atteste. Auch das sollte direkt beim zuständigen Sozialamt erfragt werden.
Welche Vorsorgemöglichkeiten gibt es?
Sofern der Pflegefall nicht völlig unerwartet eintritt, tut man gut daran, schon beizeiten die wichtigsten Rechtsfragen zu klären, die für eine Pflegesituation relevant sein könnten. Dies kann per Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung geschehen.
Vorsorgevollmacht
In einer Vorsorgevollmacht legt Ihr Angehöriger fest, wer seine Angelegenheiten regeln und Entscheidungen für ihn treffen darf, wenn er dazu nicht mehr in der Lage ist. Es ist sinnvoll, das Papier möglichst detailliert abzufassen. Eine neutrale Person (Arzt, Notar) sollte bezeugen, dass Ihr Angehöriger zum Zeitpunkt der Vollmachterteilung im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist.
Betreuungsverfügung
Wenn ein Pflegefall plötzlich eintritt und keine Vorsorgevollmacht vorliegt, so dürfen Sie keine Rechtsgeschäfte für Ihren Angehörigen abschließen. Das Betreuungsgericht bestellt dann einen gesetzlichen Betreuer. Ihr Angehöriger kann aber vorab schon mit einer Betreuungsverfügung festlegen, dass Sie ihn gesetzlich betreuen sollen, wenn er keine Entscheidungen mehr treffen kann. Daran ist das Betreuungsgericht gebunden.
Patientenverfügung
Mit einer Patientenverfügung kann Ihr Angehöriger festlegen, was medizinisch unternommen werden darf, wenn er nicht mehr ansprechbar oder einwilligungsfähig ist. Er kann zum Beispiel bestimmen, dass keine lebensverlängernden Maßnahmen ergriffen werden sollen.